Ich stehe an der Haustür des Gebäudes aus der Zeit nach 1870 und vor dem ersten Weltkrieg. Nach dem Klingeln drücke ich mich in den Schatten des Hauseingangs, um der Nachmittagssonne zu entgehen. Der Summer geht und die schwere hölzerne Tür öffnet sich. Ich drücke mich dagegen und schiebe mich hinein: angenehme Kühle. Tiefes Ein- und Ausatmen.
Langsam nehme ich die acht Stufen aus Granit bis zum Hochparterre. Die Wände dieses unteren Treppenhauses sind oberhalb einer breiten hölzernen Zierleiste mit ornamentierten Tapeten versehen. Bevor die Decke beginnt, folgen Wandfriese. Wenn ich nicht schon den Kopf heben würde, weil die Höhe des Raumes dazu einlädt, dann wegen der Malerei.
Ich drücke einen Flügel der doppelten Schwingtür zum Hochparterre auf, stehe kurz zwischen den beiden breiten Wohnungstüren mit Fenstern darin und wende mich der ab hier hölzernen breiten Treppe zu. Die Stufen knarren leise unter meinen Füßen. Meiner Hand bietet sich ein Geländer aus Holz, massiv und praktisch – ich beginne meinen Weg nach oben. Für jede Etage darf ich etwa vier Höhenmeter zurück legen. 11 Stufen bis zum Absatz mit Blick in den Garten durch ein großes Fenster, dessen oberer Teil bunte Bleiverglasung hat. Weitere 11 Stufen, den Blick nach oben auf den nächsten Etagenabsatz gerichtet: ein neues Paar Wohnungstüren mit doppelten Flügeln ist zu sehen. Das Glas in den Türen wird durch ein Gitter geschützt, jede Tür erscheint wie ein Burgtor zu einer Wohnung, die ich vor mir sehen kann.
Allein durch die Höhe laden die Räume dazu ein, sich aufzurichten und tiefer zu atmen. Viel Licht fällt durch die großen Fenster. Über Parkett, geht man durch eine Doppeltür von einem Zimmer ins nächste. Schwere alte Möbel stehen an den Wänden. Es gibt Bücherregale bis unter die Decke und wer auch immer hier wohnt, hat sie gelesen. Im Erker des größten Zimmers steht ein Flügel – oder wenigstens irgendwo ein Klavier an der Wand. Ein großer Tisch lädt zum Essen mit Gästen ein und es gibt immer Platz, um über Nacht zu bleiben. Die Wohnung umgibt einen mit ihren Mauern wie eine freundliche Festung.
Noch zwei Stockwerke, dann bin ich angekommen, wo ich zu Gast sein darf und damit für ein Wochenende mein Zuhause habe. Alle Gebäude in der Nachbarschaft sind ähnlich, ich genieße jeden Spaziergang und jede Rückkehr.
Am letzten Morgen fällt die Tür hinter mir ins Schloss; ich stehe einen Moment auf der Straße, bevor ich mich in Bewegung setze. Schräg gegenüber an der Tür eines ebenfalls prächtigen Hauses kramt ein Mann seinen Schlüssel heraus, in der anderen Hand die Papiertüte mit Brötchen. Sein ungekämmtes Haar steht in mehrere Richtungen ab, er trägt kurze Hosen, ein verwaschenes T-Shirt und Schlappen an den Füßen. Ich kann kaum wegschauen. Wirklich, er scheint da zu wohnen.
Ich gehe los, wähle die entgegengesetzte Richtung. Der Abschied vom Viertel fällt mir nun etwas leichter.