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Unterwegs

Als der Zug anfährt, sitze ich im Bordrestaurant am Fenster. Der Bahnsteig gleitet immer schneller an mir vorbei, dann Gleise und dahinter die Stadt. Der Zug gewinnt langsam an Geschwindigkeit, die Stadt mit ihren Vororten wird von der Landschaft abgelöst.

Aus der Küche höre ich leises Klappern. Gleich wird einer vom Personal neben mir stehen und meine Bestellung aufnehmen. Ich habe Zeit, muss nicht schnell ankommen und auch keinen Anschlusszug erreichen. Dafür habe ich mir die schöne Strecke ausgesucht, nicht die schnelle. Zwei Mal am Tag fährt der ICE hier entlang, das ist das frühe Aufstehen wert.

Der Zug schwingt sich in ruhiger Geschwindigkeit durch die Kurven des kleinen Tals. Die meiste Zeit führt die Strecke neben dem Fluss entlang, gelegentlich überquert sie ihn. Wald und Wiesen wechseln sich ab mit kleinen Städtchen. Immer wieder stehen Schlösser am Fluss oder Burgen auf den Bergen und manchmal sind sie mehrmals zu sehen wegen der engen Kurven – mal links und dann rechts.

Die Leute an den anderen Tischen im Zugrestaurant sind mit ihrem Handy beschäftigt oder im Gespräch mit anderen. Ob noch jemand mit mir am gleichen Tisch sitzt, spielt keine Rolle.

Mein Handy ist ausgeschaltet in meiner Jackentasche. Kommt mir ein Gedanke vorbei, den ich behalten will, so notiere ich ihn in mein kleines Büchlein. Ich muss nicht auf Ansagen achten, kein Display mit Echtzeitauskünften im Auge behalten. Ich werde an der Landschaft erkennen können, wenn der Zug bald bei meinem Ausstieg sein wird.

Ich habe Zeit für mich – Zeit, aus dem Fenster zu schauen, mein Essen zu genießen und meinen Gedanken nachzuhängen.
Dag Berger

Brücke im Winter

Es ist schon dunkel geworden und ich steige langsam die Treppe hinunter, Stufe um Stufe hinab ins Tal. Seit Tagen friert es, der Schnee ist festgetreten, vereist und uneben. Und strahlend weiß. Das Licht der Laternen ist schwach, aber ausreichend, um die Stufen zu erkennen. Ich bin vorsichtig bedacht darauf, nicht auszurutschen und bleibe auf einem Absatz stehen, um mich kurz umzusehen. Über mir ragt die beleuchtete Burg auf. Von den Lichtern des Dorfs oben auf dem Hochufer ist nichts mehr zu sehen. Vorsichtig steige ich weiter hinunter, taste die Glätte der Stufen mit jedem Schritt, bevor ich mein Gewicht verlagere. Die Treppe endet weit unten neben der Straße, die von links aus dem Dorf herab und zur Brücke führt. Autos fahren in langer Folge in beiden Richtungen.

Ihr Licht und das der Straßenlampen beleuchtet den grauen Matsch aus Schnee, Streusalz und Dreck, durch den sie fahren. Das schmatzende Geräusch wird lauter, je weiter ich die Treppe herab und der Straße näherkomme.

Die Stufen sind zu Ende und ich erreiche den Gehweg, der die Straße neben der letzten Kurve entlang begleitet, bis beide die Brücke erreichen. Autos überholen mich langsam, nicht aus Rücksicht auf mich wegen des spritzenden Matsches, sondern weil die Fahrer dem Winter nicht trauen. Der Gehweg ist nicht gestreut, die Eisschicht unter dem Schnee knirscht leise. Vorsichtig gehe ich weiter. Ich sehe den roten Lichtern der Autos neben mir nach, sie entfernen sich und dann kommt keines mehr nach. Über die Brücke kommen mir noch zwei entgegen, fahren um die Kurve hoch zum Dorf. Das Geräusch der Reifen im Matsch wird leiser. Ich laufe über die Brücke, jetzt – ohne Autos – kann ich meine Schritte im Schnee hören, ein Knirschen unter den Schuhen und das leise Knacken von Eis.

Unten rauscht der Fluss, schwarzes Wasser zwischen weißen Ufern. Über mir die Sterne und ich merke, dass ich die Brücke überraschend für mich allein habe. Vorn verliert sie sich in der Dunkelheit, dort führt die Straße in mehreren Kurven wieder bergan in den Ort gegenüber. Da oben ist das Licht von Straßenlampen zu sehen, weit entfernt. Hinter mir an der Straße vom Dorf bergab leuchten auch welche. Nur auf der Brücke gibt es kein Licht, die Straßenlampen sind erloschen.

Ich gehe langsamer, unter mir den Fluss und über mir den dunklen Himmel. Kein Licht beleuchtet mich und die Umgebung. Fern sind die Sterne über mir und die nächsten Straßenlichter weit weg vor mir. Der Fluss rauscht leise und meine Schritte knirschen, bis ich stehen bleibe; leise Geräusche von irgendwo weit weg. Ich stehe am Geländer, schaue in die Dunkelheit, horche auf die Stille, bin allein und atme tief durch.

Scheinwerferlicht erhellt meine Umgebung, die Reifen eines Autos schmatzen durch den Schneematsch. Die Stille ist vorbei und die nächsten Autos nähern sich. Ich reiße mich los und gehe weiter, den roten Lichtern folgend.